Bad Wasserburg am Inn

Wasserburgs kurze Zeit als Kneipp-Kurstadt

Im Städtischen Archiv der Stadt Wasserburg am Inn wurden nachstehende Aufzeichnungen gefunden:

In Wasserburg wurde am 1. Februar 1890 im ehemaligen Achatz-Bad ein Kneipp-Kurbetrieb mit 20 Gästezimmern eröffnet.

Zum „Filialorte St. Achatz“ hatte der Stadtschreiber Josef Heiserer festgehalten, dass die Armen-Stiftung, genannt Leprosenstiftung, für sieben bis acht Pfründner ein Gesundheitsbad und eine Kirche hat. „Die älteste Urkunde über das sichere Vorhandensein der Kirche ist vom Jahre 1443, des Bades und der Badstube vom Jahr 1483 und 1487.“

In einem Antrag an die städtischen Collegien setzte sich Heiserer im Juli 1857 für einen Neubau der desolaten Gebäude ein. „Nach den gegenwärtigen Lebensprinzipien sind jede Art von Gesundheits-
bädern für die Population als unablässiges Bedürfnis anerkannt... Daher hat jeder Ort sich glücklich zu schätzen, in welchem die Natur ihre Wunderkraft in irgendeiner Art entfaltet und zum Heile der Einwohner und aller Hilfe suchenden Fremden in Quellen der Erde reich sprudelt. Zu solch einem gesegneten Orte gehört auch die Stadt Wasserburg.“

Die Einrichtung war wirtschaftlich und so beschlossen die städtischen Gremien im Juli 1857 das Bad auszubauen mit neuen „Bad-Localitäten“, einem Wohnzimmer für „Gäste“ und Personalräumen. Als der Bau fertig war, stand die Einrichtung nicht mehr nur als Reinigungsbad den Stadtbewohnern zur Verfügung, sondern nach ärztlicher Verordnung mit entsprechenden Zusätzen auch als Sole- Moor- oder Fichtennadelbad. Das Bad wurde so rund 30 Jahre mit ausreichendem wirtschaftlichen Erfolg und allem Anschein nach regem Zuspruch durch auswärtige Gäste von der Leprosenhausstiftung geführt.

Als nach dem Bau der städtischen Wasserversorgungsanstalt 1888 auch in zahlreichen Häusern der Altstadt eigene Badegelegenheiten eingerichtet wurden, ging die Besucherzahl und damit auch der wirtschaftliche Ertrag des Bades zurück. Man dachte über eine Neuorientierung der Anstalt nach, hatte vom Erfolg der Kneipp`schen Wasserkuren in Wörishofen gehört und griff den Gedanken auf, das Heilbad beizubehalten und auch im Bad St. Achatz dieses Verfahren anzuwenden. Von Sebastian Kneipp wollte man wissen, ob ein solches Vorhaben realisierbar sei.

Die breiten Schichten der Bürgerschaft waren es diesmal, welche die Idee, ein Kneippbad einzu-
richten, schnell auffassten, popularisierten und schließlich verlangten: “St. Achatz muss eine Wasser
kuranstalt nach Kneipp werden.“

Dabei war man sich des damit verbundenen Risikos durchaus bewusst, zumal nicht unerhebliche Baumaßnahmen zu erwarten waren. Aber man hoffte, mit diesem Entschlusse Fremde anziehen und Leben in die Stadt bringen zu können. Die öffentliche Auseinandersetzung über diese Frage zwischen Bürgermeister Schnepf und Magistratsrat Palmano, dem Apotheker und Vorgänger Schnepf`s im Wasserburger Anzeiger von 1889 gipfelten darin, dass der eine dem anderen vorwarf, einem Pfuscher zu vertrauen und das Unternehmen als Schwindel bezeichnete, während der andere darauf hinwies, dass der Apotheker wohl fürchtete, durch die Badekuren und die Naturheilverfahren geschäftliche Einbuße zu befürchten.

Unter Leitung eines eigenen Badearztes startete am 1. Februar 1890 der Kneipp`sche Badebetrieb. Bald reichten die Unterbringungsmöglichkeiten nicht mehr aus, um die Nachfrage von Kurgästen zu befriedigen, Privatquartiere in angemessener Entfernung gab es nicht. Also beschloss man, die vorhandenen Gebäude aufzustocken, 20 Gästezimmer neu zu beschaffen, einen Speise- und Aufenthaltsraum einzurichten, einen Kurgarten mit Wiesenflächen zum Wassertreten ferner ein „Blumenparterre mit Fontäne“ (deren Becken vor dem heutigen Bürgerhaus noch vorhanden ist) anzulegen und die Bäder selbst neu zu gestalten. Die Besucherzahlen der Saison 1890/91 waren vielversprechend, sodass man auf Anregung von Kurgästen noch 1891 daranging, die erforderlichen Baumaßnahmen auszuführen, die am Schluss 65.000 Mark gekostet hatten.

Doch dann stellte man nach dem Ausscheiden des Badearztes Dr. Golz 1892 einen neuen Badearzt ein, der statt Kneippkuren ganz andere Naturheilverfahren anwendete - Heilgymnastik, Sonnenbäder, elektrische Kuren, Heilfasten, Diätkuren.

Die Ordensschwestern, die seit 1890 die Betreuung übernommen hatten, weigerten sich, mit dem Arzt zusammenzuarbeiten. Der Streit eskalierte, die Schwestern kündigten den Vertrag und der Magistrat kündigte dem Arzt, um die Schwestern zu besänftigen. Man fand zwar einen neuen Arzt, der in Wörishofen ein mehrwöchiges Praktikum bei Sebastian Kneipp absolviert hatte, aber die Kurgäste blieben aus. Der Vertrag mit dem Arzt wurde daraufhin im beiderseitigen Einvernehmen gelöst. Vergeblich suchte man im Zuge einer Art Teilprivatisierung einen Pächter für die Anlage zu finden.

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